Es folgt ein Geständnis oder Bekenntnis, womöglich gar ein Outing. Ich schaue kein Fernsehen mehr, zumindest nicht auf die traditionelle Art. Was hat das mit Linux zu tun? Nun wahrscheinlich fast gar nichts und doch ein wenig. Um zu erklären, warum ich die konventionellen Pfade verlassen habe, muss ich etwas ausholen.
Mein erster Kontakt mit dem Medium Fernsehen war irgendwann in den 80iger Jahren. Damals konnten wir bei uns zu Hause genau vier Programme empfangen. Nein, wir lebten nicht im Wald, ernährten uns von Beeren und betrieben den Fernseher mit einem Fahrraddynamo. Es gab einfach noch keine privaten Sender geschweige denn PayTV, dass in Deutschland sowieso seit jeher ein Schattendasein fristet. Das war die Zeit des Öffentlich-Rechtlichen-Fernsehens als alles Schaubare auf ARD, ZDF und den Dritten Programmen lief und sogar das legendäre A-Team zur besten Sendezeit bei ARD über den Bildschirm flimmerte.
Die Zeit verging und irgendwann kamen dank Kabel die ersten privaten Sender dazu. Zuerst sei da natürlich RTL erwähnt, wo ich zum ersten Mal Knight Rider, der Inbegriff der 80iger Jahre Serien, sehen konnte. Schon damals zeichnete sich RTL durch einen eher ungewöhnlichen Programmmix aus, den man aus heutiger Sicht vielleicht als Vorbote für die kommenden Jahre sehen mag.
Erinnert sich noch jemand an Pronto Salvatore? Wer hätte auch auf Rot getippt?
Ohne Flachs lief der Hütchen- und Kartenspieler Salvatore zur besten Sendezeit zwischen zwei Spielfilmen oder direkt vor den Nachrichten im privaten Fernsehen. Wäre das heute eigentlich noch "politisch korrekt"? Ich weiß es nicht. Fest steht nur, dass danach das Angebot im deutschen Fernsehen weiter zunahm und als Kind war ich natürlich später glühender Fan von Tele 5 und seinen diversen Animesendungen.
In nur zehn Jahren vervielfachte sich dann das Fernsehprogramm. Leider nahm die Qualität nicht im gleichen Maße wie die Quantität zu. Bis zum Ende der 90iger gehörten noch Sender wie VIVA Zwei und dessen alternative Formate wie "Fast Forward" zu meinen persönlichen Favoriten. Auch das endete leider mit der Abschaltung von VIVA Zwei und des späteren Programmwechsels von Musikinhalten zu "Reality TV".
Anfang des neuen Jahrtausends wurde ich dann zunehmend desillusionierter. War es erst ein Sender, der eine Talkshow nach amerikanischen Vorbild sendete, steigerte sich die Zahl später auf mehr als ein halbes Dutzend. Seelenstriptease vor laufender Kamera und niveaulose Unterhaltung auf Kosten anderer als Geist der Zeiten. Als "Richterin Babara Salesch" schließlich für ihre "Verdienste" 2002 sogar noch den Deutschen Fernsehpreis zuerkannt bekam, waren meine Erwartungen an Fernsehen auf einen Tiefpunkt gesunken. Selbst Oliver Kalkofe konnte mich mit seinem beißenden Sarkasmus nicht vor dem weiteren Abstumpfen bewahren.
Schließlich verlagerte sich mein Medienkonsum vom klassischen Fernseher immer mehr ins Internet. Heute beziehe ich fast alle meine Informationen nur noch hieraus. Dienste wie Youtube oder Vimeo und das immer weiter verbreitete Streaming auch bei Nachrichtensendungen ersetzen den Fernseher. Linux spielt hier als Betriebssystem natürlich eine wichtige Rolle. Neben den bekannten Streamingdiensten nutze ich z.B. das in Java programmierte Mediathekview, um mir Sendungen des öffentlich rechtlichen Fernsehens auf dem PC anschauen zu können. Das Ganze lässt sich ohne Schwierigkeiten auch auf betagteren Laptops ausführen.
Wie der Name des Programms schon andeutet, greift die Anwendung auf die Mediathek der einzelnen Sender zu.
Innerhalb von Mediathekview lässt sich nach Suchbegriffen filtern. Die einzelnen Sendungen lassen sich dann mit Hilfe von VLC, Mplayer oder flvstreamer entweder direkt anschauen oder auch zuerst auf die Festplatte herunterladen. Der Mplayer Knopf fehlt standardmäßig, lässt sich aber in sekundenschnelle selbst erstellen. Hierzu müsst ihr nur zu Einstellungen->Button->Einrichten wechseln, den bestehenden Eintrag für den VLC-Button duplizieren und das Wort vlc in den Formularfeldern durch Mplayer ersetzen. Fertig.
Einziger Makel an der Mediathek ist die unsägliche Depublizierung der Medieninhalte nach zumeist sieben Tagen. Wenn man sich ein staatliches und durch GEZ-Gebühren finanziertes Fernsehen leistet, sollte man dessen erarbeitete Inhalte auch öffentlich zeigen dürfen. Entweder man schafft das Öffentlich-Rechtliche-Fernsehen zu Gunsten der privaten Sender ganz ab oder man liefert den Kunden und Gebührenzahlern die Ware, für die sie bezahlt haben.
Ansonsten leistet mir gerade für Youtube Minitube gute Dienste, wenn ich nicht per Browser vorbeischaue oder gezielt und ressourcensparend mit der elinks,youtube-dl und mplayer Methode auf Videos zugreife.
Ich kann es nicht genauer erklären, aber klassisches Fernsehen ruft bei mir keine Entzugserscheinungen hervor. Ich halte das Zusammenstellen und die Suche nach Informationen im Internet auch nicht für besonders schwierig oder gar anstrengend. Wenn in den kommenden Jahren die Bandbreite weiter ansteigen wird, können auch Medieninhalte in weit höherer Qualität gestreamt werden, weshalb ich nicht glaube, dass diese Methode für mich in den nächsten Jahren an Attraktivität verlieren wird.
One Reply to “Freud und Leid mit der Mattscheibe”