Erste Erfahrungen mit Ubuntu 8.04 LTS (Hardy Heron)

Als Ubuntu 8.04, Codename Hardy Heron (dt. kühner Reiher), am 24. April 2008 erschien, wurde es für mich wieder mal Zeit für ein größeres Distributionsupgrade. Bis dato war ich zufrieden mit Ubuntu 6.06 Dapper Drake unterwegs.
Um nach langer Zeit mal wieder ein Betriebssystem installieren zu müssen, habe ich mir die alternative Ubuntu 8.04 iso heruntergeladen und anschließend mit Gnomebaker gebrannt. Anderenfalls ist es auch möglich Ubuntu von der Live CD zu installieren, die zuerst ein Testen von Ubuntu ohne Veränderungen an Daten auf der Festplatte und einen grafischen Installationsvorgang bietet. Da mein PC schon etwas betagt ist und ich mit dem flexiblen debian-installer gut zu recht komme, habe ich mich aber für die Alternative entschieden. Der Download mit Bittorrent ist ebenfalls möglich und auch empfohlen, da er allgemein die Serverlast verringert. Eine komplette Downloadübersicht für Hardy Heron gibt es hier.
Folgender Rechner sollte aktualisiert werden:

  • Mainboard: ASUS A7V 333
  • CPU: AMD Athlon XP 1800+
  • Ram: 1 GB DDR
  • GraKa: ATI Radeon 9600

Bevor es losging gab es zuerst das obligatorische Backup, wobei ich zuerst meinen kompletten /home Ordner und die Firefox Lesezeichen gesichert habe. Alle anderen Einstellungen waren mir nicht so wichtig bzw. konnten schnell neu eingerichtet werden. Da Evolution mit Ubuntu 6.06 noch über keine Sicherungsfunktion verfügte, kopierte ich auch hier den im Home Verzeichnis versteckten evolution Ordner einfach mit.
Nach dem Rechner Neustart und eingelegter Ubuntu 8.04 CD erscheint eine Auswahl an Boot- und Installationsmöglichkeiten. Mit F4 lässt sich zwischen der normalen Ubuntu Installation, einer OEM-Version und einer auf das wesentliche beschränkten Kommandozeilenversion wechseln. Auf www.ubuntuusers.de findet sich eine Schritt für Schritt Anleitung für die Alternate Installation. Seit Dapper Drake hat sich dabei von der Benutzerführung her kaum etwas geändert. Die meisten Menüpunkte lassen sich direkt mit ENTER bestätigen bzw. die meiste Konfiguration läuft automatisch ab. Nach Auswahl der Systemsprache und einiger Hardwareerkennung konfiguriert der Installer bei vorhandenem DHCP Server automatisch die Netzwerkeinstellungen. Lediglich bei der nun folgenden Partitionierung ist Vorsicht geboten. Da ich schon seit Jahren auf meinem Rechner ein Dual Boot System mit Windows XP habe, ist die Systemfestplatte in diverse Partitionen unterteilt, vor allem weil ich früher ein FAT32 Partition zum Datenaustausch genutzt habe. Zum Glück ist das mitlerweile auch nicht mehr nötig, kann Linux mitlerweile nicht nur NTFS Dateisysteme lesen sondern auch beschreiben. Auffällig ist, dass mitlerweile alle Partitionen von z.B. hda in sda umbenannt worden sind, obwohl ich weder über SCSI Festplatten noch Serial-ATA verfüge.
Da der Installer aber Swap Partitionen erkennt, musste ich nur mit der manuellen Methode die Root Partition auswählen. Alle anderen Partitionen erscheinen später im Gnome Panel oben unter Orte und können mit einem Klick eingebunden werden. Es genügt übrigens meiner Meinung nach die Prozentzahl des für den Root Benutzer reservierten Festplattenspeichers von 5% auf 1% bei heutigen Festplatten zu begrenzen.
Nach der Partitionierung werden Basissystem sowie weitere Softwarepakete installiert. Dieser Installationsschritt dauert gewöhnlich am längsten. Nach 44 Minuten war die Installation auf meinem Rechner beendet, der Bootmanager GRUB wurde noch in den MBR installiert, wobei automatisch auch die parallel installierte Windows XP Version beim Booten auswählbar wird.

Was ist neu?

Nach dem Neustart begrüßt ein aufgeräumter Gnome 2.22 Desktop.
Als erstes erscheint oben rechts im Gnome Panel eine Abfrage, ob man proprietäre Treiber einrichten möchte. In meinem Fall wurde der Treiber für die Netgear WLAN Karte mit Atheros Chipsatz sofort bei der Installation schon aktiviert um den Betrieb überhaupt erst zu ermöglichen. Des weiteren gibt es die Möglichkeit den unfreien ATI Treiber fglrx zu installieren. Wer 3D Spiele unter Linux spielen möchte sollte den proprietären Treiber installieren, ansonsten funktioniert der OpenSource Treiber für den alltäglichen OfficePC einwandfrei. Gerade bei der Auswahl und der Installation der ATI Treiber hat sich einiges getan. Ich kann mich noch an mühsame Installationsstunden inklusive Treiberkompilierung erinnern als der fglrx Treiber für meine ATI Radeon 9600 noch in den Anfängen steckte und der Support durch ATI mehr als mangelhaft war.
Ebenfalls sehr einfach ist die Installation von Codecs für Totem. Spielt man einen Film ab und es ist noch kein entsprechender Codec vorhanden, erscheint automatisch eine Installationsauswahl für verschiedene GStreamer Plugins. Wer danach noch Probleme hat diverse Formate oder DVDs anzuschaun und w32codecs oder libdvdcss benötigt sollte auch mal beim Medibuntu Projekt vorbeischaun. Im Wiki von ubuntuusers.de wird das Einbinden der Paketquellen erklärt.
Allgemein gefällt mir die Geschwindigkeit von Gnome 2.22 und Ubuntu 8.04. Gerade wenn man unter

System->Einstellungen->Erscheinungsbild->Visuelle Effekte

auf Keine stellt, ist das Verhalten aller Anwendungen deutlich flüssiger als es noch bei Dapper Drake der Fall war. Aktiviert man die Effekte kann man zum Beispiel mit dem Mausrad mit einer gleitenden Animation zwischen den Arbeitsflächen wechseln, Menüeinträge werden optisch aufgebessert und Fenster dunkeln sich ab, wenn sie beschäftigt sind. Was nun dem Fenstermanager Metacity von Gnome oder compiz zuzuordnen ist, kann ich momentan noch nicht genau sagen. Da ich aber auch gerne mal den berühmten Desktop Würfel anschaun möchte, werde ich da in nächster Zeit mal etwas genauer reinschaun.
Ein Tipp für alle, die ebenfalls Probleme bei der Filmwiedergabe hatten. Das Ruckeln bei mpeg4 Filmen mit h264 Codec hört mit aller Wahrscheinlichkeit auf sobald die visuellen Effekte deaktiviert sind.
Insbesondere fällt auf wie einfach und geräuschlos die Installation von externen Geräten geworden ist. Sowohl mein HP deskjet 3645 Drucker als auch der alte HP Scanjet 3300c wurden automatisch erkannt. Externe USB Festplatten, meine Digitalkamera oder ein Ipod, letzterer wird durch ein Plugin direkt in Rhythmbox eingebunden, all das funktioniert reibungslos. Leider importiert die neue F-Spot Fotoverwaltung die Bilder auf der DigiCam nicht automatisch trotz Einstellung unter Wechseldatenträger im Gnomemenü.
Auch die Verbesserungen am NetworkManager für die WLAN Karte fallen auf. Dieser zeigt nun alle Funknetze in der Umgebung an und bietet Unterstützung für WPA gesicherte Funknetze.
Ubuntu 8.04 bietet vor allem viele neue aktuelle Software. Allen voran eine Beta Version von Firefox 3.0, die erstaunlich stabil läuft und gefühlt einige Seiten auch etwas schneller rendert. Das Lesezeichen nun mit Tags versehen werden können und in der Adressleiste Eingaben automatisch wahrscheinliche Links auflisten sind angenehme Neuerungen.
Ansonsten wurde der Instantmessager Gaim zu Pidgin und der rudimentäre Bittorrent Client zu Transmission, das deutlich mehr bietet als der Vorgänger aber dabei absolut übersichtlich und effektiv bleibt. Gut gefällt mir auch die neue Standardbrennsoftware Brasero. Auf Shellebene gefällt mir die erweiterte Autovervollständigung per TAB-Taste gut. Nun werden auch Optionen einzelner Befehle angezeigt oder ein man bra (TAB) ergänzt sich zu man brasero. Viele Neuerungen fallen zuerst kaum auf wie das neue GFVS, dass das virtuelle Dateisystem GnomeVFS ersetzt. Mehrere Schreiboperationen werden z.B. dadurch in einem Fenster mit Zeitangabe zusammengefasst.
Noch ein Wort zum Import der alten Evolution Daten. Die Holzhammermethode einfach den alten Mailordner in mein neues .evolution Verzeichnis zu kopieren hat funktioniert. Dabei traten zwar später ein paar Fehler in einigen Mailordnern auf, aber da es sich hier um archivierte Uraltmails handelte, konnte ich das Löschen verschmerzen.
Ubuntu bietet für Umsteiger von Dapper Drake auf Hardy Heron einiges Neues. Die sinnvolle Autokonfiguration vieler Geräte, die einfache Treiber/Codec Installation fallen besonders auf. Es macht einfach Spaß neue Anwendungen in gewohnter Debian Manier zu installieren, wobei Ubuntu Debians Stabilität gerettet hat und gleichzeitig komfortable Voreinstellungen bietet.
Da Rechner nicht gleich Rechner ist und bei Installationen immer Probleme auftreten können, kann ich jedem nur www.ubuntuusers.de empfehlen, wo 95 % meiner bisherigen Ubuntu Probleme gelöst worden sind. Insbesondere das Wiki hilft doch enorm weiter. Auch www.debianforum.de bietet für verschiedene debianspezifische Probleme sehr gute Lösungen an.
Alle Neuerungen in Hardy Heron findet ihr auch hier. Soviel zum ersten Eindruck, der zumindest für mich sehr positiv war 🙂

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