Viele Distributionen setzen auf Debian als Unterbau. Im Grunde genommen tauschen die meisten davon nur die Oberfläche aus, darunter bleibt aber alles gleich. Mit dem Original lässt sich das gleiche Ergebnis erreichen. Debian hat verschiedene Zweige, die auch als Repositorien oder Distributionen bezeichnet werden. Dabei bietet Debian schon heute vom fortlaufend aktuellen Desktopsystem bis zur grundsoliden Serverdistribution alle Optionen an. Hier eine kurze Übersicht über die Möglichkeiten.
Experimental
Experimental ist im Grunde genommen kein vollständiger Zweig, sondern lediglich die Spielwiese der Debianentwickler und ist nicht für Endbenutzer gedacht. Hier werden Alpha-Versionen von Software und wie der Name schon andeutet experimentelle Pakete hochgeladen. Sie haben standardmäßig die Pin Priorität 1, was verhindert, dass automatisch ein Upgrade auf Pakete in Experimental stattfindet. Ich benutze Experimental im Regelfall äußerst selten, wenn ich z.B. eine Beta-Version von Iceweasel ausprobieren möchte.
Die Quintessenz: Wenn du fragen musst, ob Experimental das Richtige für dich ist, ist es das nicht.
Unstable alias Sid
Wenn der Entwickler zuversichtlich ist, dass sein Paket eine gewisse Reife erlangt hat und alle Abhängigkeiten erfüllt werden, wird es Zeit für das Einstellen in Unstable. Sid ist nie fertig und fortlaufenden Änderungen unterworfen. Es gibt deswegen auch keine Installations-CDs. Debian Unstable wird in der Regel über ein dist-upgrade von Stable oder Testing installiert.
Debian Sid ist der Zweig, der in der Regel von Entwicklern und Nutzern gewählt wird, die immer am aktuellsten Stand der Technik interessiert sind. Wenn du dazu beitragen möchtest Debian noch besser zu machen und Fehlerberichte zu verfassen, ist Debian Unstable die perfekte Wahl. Die Benutzung erfolgt aber auf eigene Gefahr. Es ist keine Frage, ob Fehler mit der Zeit auftreten, sondern nur wann.
Ich habe Debian Sid auf dem Dell Inspiron 4000 Laptop und für ein Spielesystem auf dem Core Duo installiert. Meine Erfahrung ist, dass ein leichtgewichtiges und minimales System mit Debian Sid sich ohne weiteres pflegen lässt, wenn man folgende Punkte beachtet.
Man muss bereit sein temporär auf bestimmte Software zu verzichten und sie mit vergleichbarer ersetzen, z.B. Iceweasel mit Chromium tauschen oder umgekehrt. Man sollte wissen wie ein Downgrade funktioniert oder wie man Pakete auf "hold" setzt, damit sie nicht durch ein Update ersetzt werden. Ein entsprechendes Problem mit Bugs hatte ich dieses Jahr mit Midori und Claws Mail.
In vielen Fällen hilft apt-listbugs, um die schwerwiegendsten Fehler schon vor einem Update zu erkennen. Das einzige wirklich gravierende Problem hatte ich dieses Jahr nur mit dem Nvidia-Treiber, der bekanntermaßen unfrei ist. Mit Hilfe von Backups, Downgrades oder dem Wechsel zu freien Treibern ließ sich das Problem lösen.
Wenn diese Beschreibung eher Magendrücken als Begeisterung ausgelöst hat, ist Debian Unstable nicht der richtige Zweig. Auf der anderen Seite ist es ideal, wenn man Debian besser machen möchte.
Testing
Nachdem ein Paket in der Regel 10 Tage in Unstable verbracht hat, migriert es automatisch nach Testing, solange alle Abhängigkeiten erfüllt werden und das Paket keine "RC Bugs", veröffentlichungskritische Bugs, beinhaltet.
Im Gegensatz zu Unstable verändert sich das System weniger dramatisch bei jedem Update und man ist vor den offensichtlichsten Fehlern geschützt, die in Sid abgefangen werden. Leider hat Testing momentan zwei Nachteile, die man vor der Benutzung sich in Erinnerung rufen sollte.
Sollte wider Erwarten ein Fehler in Testing auftreten, erfolgt keine zeitgerechte Beseitigung des Problems. Das neue Paket wird in Unstable eingestellt und erneut dauert es 10 Tage bis es in Testing ankommt. In besonders kritischen Fällen kann der Paketbetreuer entscheiden dem Paket eine höhere Priorität zuzuordnen und es gelangt dann nach 5 oder 2 Tagen nach Testing. Debian Testing wird zur Zeit nicht vom Sicherheitsteam betreut! Unter Umständen kann das bedeuten, dass man 10 Tage oder länger auf die Lösung eines kritischen Sicherheitsproblems warten muss.
Problematisch ist auch, dass Pakete aus Testing vom Debian Release Team entfernt werden können, wenn sie auf Grund von Fehlern andere Pakete blockieren. Eine Initiative namens CUT versucht diese Probleme langfristig zu lösen.
Ich benutze Testing auf meinem leistungsfähigsten Rechner und habe bisher nur Probleme mit dem Nvidia-Treiber gehabt. Für mich funktioniert Testing zur Zeit ausgesprochen gut. Um Sicherheitsprobleme zu lösen oder gezielt neuere Software zu installieren, greife ich auf Apt-Pinning zurück.
Prinzipiell gilt das Gleiche wie für Unstable, wobei Testing weniger schnell bricht als Unstable, dafür die Lösung des Problems teilweise länger auf sich warten lässt. Wer keine Server betreiben muss und bereit ist nach der Lösung eines Problems zu recherchieren sollte sich Testing merken.
Stable
Alle Wege führen zu Stable. Dies ist die Version, die veröffentlicht wird, der Fels auf den alle anderen Debian-Derivate bauen. Wer sich unschlüssig ist, welchen Zweig er wählen muss, sollte immer zu Stable greifen.
In der Vergangenheit habe ich Debian Stable benutzt und ich komme nur zu einem Schluss: Es eignet sich nicht zum Bloggen! Keine heftigen Bugs oder katastrophalen Systemabstürze. Einfach nur total langweilig!
Egal was ich vorher geschrieben habe, Stable ist davon nicht betroffen. Sicherheitsprobleme werden schnell gefixt, dies ist der Zweig, den man einsetzen sollte, wenn einem Stabilität wichtiger als die neuesten Feature ist.
Das Einzige was Benutzer bemängeln sind veraltete Software oder schlechte Hardwareunterstützung. Dieses Problem haben natürlich die Debianentwickler schon lange erkannnt. Eine Lösung dafür sind Debians Backports.
Ansonsten bereiten höchstens Webbrowser wie Chromium oder Iceweasel ein Problem. Die Anleitung auf mozilla.debian.net oder mein Beitrag zu Iceweasel zeigen aber die Alternativen auf.
Abgesehen von Browsern sehe ich keinen Grund, warum man als durchschnittlicher Benutzer immer und überall die neueste, aber instabile Software haben müsste. Mit der Installation von Stable ist man in der Regel für zwei Jahre vollkommen von allen Computerproblemen befreit.
Oldstable
Nach der Veröffentlichung von Debian Stable wird die vorangegangene Version zu Oldstable und noch ein weiteres Jahr mit Sicherheitsaktualisierungen versorgt. Insbesondere für Server lohnt es sich deshalb mit dem Upgrade zu warten, solange neue Feature nicht gebraucht werden. Wer als Desktopbenutzer zufrieden mit seinem System ist, schätzt den langen Support von Debian.
lol
„Keine heftigen Bugs oder katastrophalen Systemabstürze. Einfach nur total langweilig!“
Guter Artikel.
Stable macht Blogger arbeitslos. Danke 😀
Eigentlich eine schöne Sache, nur wenn ich schon als Linux“anfänger“ nicht schaffe mein Alice DSL Modem einzurichten, weil ich erst pppoeconf installieren muss, dieses aber nicht von USB installiert bekommen und er die DVD auch nicht erkennen will, dann habe ich schon kenen Bock mehr. ^^
Aber ansonsten sicherlich etwas für Menschen, die es langsamer mögen. Wobei Ubuntu mit den 5 Jahren Unterstützung ja auch nicht schlecht ist.
Ich frage mich, wann bei Debian Stable Gnome3 zu einsatz kommt, das ist dann ja für diese Nutzer eine krasse Umstellung.
Bin froh, dass ich mit Ubuntu zurecht komme, da gibts ja auch einiges zu tun. Drucker, Lautsprecher… alles will manipuliert…ähm eingerichtet werden. 😉
Was mit an der Stable nicht gefällt, ist das es nicht so Anfänger freundlich ist. Kein Software-Center, kein Synaptics, keine großartigen Einstellungsmöglichkeiten.
Danke trotzdem, toller Beitrag!
Danke dir. Das mit dem DSL Modem und pppoeconf verstehe ich aber nicht ganz. Mit einem zusätzlichen Router ist es doch heutzutage ziemlich einfach den Internetzugang egal mit welchem Betriebssystem einzurichten. Wenn er gleichzeitig als dhcp Server agiert, muss man bei der Installation gar nichts machen und man bekommt automatisch eine IP Adresse zugeteilt.
Im jetzigen Stable alias Squeeze wird Gnome 3 sehr wahrscheinlich nicht mehr erscheinen. In Testing befindet es sich aber und ich denke, dass wir Anfang 2013 Gnome 3.4 in Wheezy sehen werden. Zu Gnome 3 in Testing habe ich hier schon was geschrieben.
So weit ich mich erinnere ist Synaptic bei Debians Installations-CD mit Gnome schon vorinstalliert. Das Software-Center lässt sich mit
aptitude install software-center
in einem Terminalemulator oder grafisch mit Synaptic nachinstallieren. Ich verstehe, dass das für einen totalen Neueinsteiger oder jemand, der von Ubuntu andere Voreinstellungen gewohnt ist vielleicht ungewohnt ist.Aber was ich mit dem Blog auch sagen möchte: Alles ist in Linux modular. Wenn du einmal weißt, wie ein Programm heißt, kannst du es überall installieren. Wenn du einmal verstanden hast, wie Gnome funktioniert, kannst du das Wissen zu jeder anderen Distribution mitnehmen. Ubuntu installiert einfach mehr Anwendungen vor, bei den grundlegenden Eigenschaften nimmt es sich aber nichts mit Debian.
Danke für deine ausführliche Antwort!
Ja Alice hat uns so ein Modem geschickt, wo wir keinen Zugriff auf den Router haben, keine Ahnung jedenfalls können die allesmögliche von sich aus einstellen. DHCP wird also nicht erkannt, eingestellt oder wie auch immer. Wir hätten dazu wohl das teurere Modell kaufen müssen.
Ist jetzt aber auch nicht weiter tragische, da ich das Problem gefunden habe: http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=ZnP-QnMMqHc#t=281s
Es ist einfach kein Netzwerkmanager dabei. Das Problem hatte ich schonmal, habe mir die CD1 hier: http://cdimage.debian.org/debian-cd/6.0.3/amd64/iso-cd/ runtergeladen und es war nirgends der Manager zu finden. Woher soll ich wissen, welche die richtige Version ist…
Ach ja, synaptic ist auch verschwunden. Wenn ich die richtige CD/DVD erwische, dann installiere ich es mir nochmal auf meine externe Festplatte.
Ah nun verstehe ich dein Problem mit dem network-manager. Aus Platzgründen scheint das Paket nicht mehr auf die erste CD gefunden zu haben, die in der Regel vollkommen ausreichend ist um Debian zu installieren.
Du möchtest aber mit dem network-manager den Internetzugang einrichten, doch ohne Netzzugang kannst du deswegen auch nicht das Paket aus dem Internet mit
aptitude install network-manager
herunterladen.Faszinierendes Problem. ^^ Wie schon gesagt, wenn man einen Router mit dhcp Server hat, wirst du nie mit so etwas konfrontiert. Am einfachsten ist es, wenn du dir die Einstellungen von Ubuntu mal genauer anschaust und das dann auf Debian einfach überträgst.
Du kannst z.B. der Erklärung auf ubuntuusers.de folgen und mit den gleichen Schritten das Netzwerk auch für Debian ohne den network-manager einrichten.
Dein erstes Ziel sollte immer sein eine Netzwerkverbindung einzurichten. Danach kannst du aber jedes Programm nachinstallieren, dass du gerne haben möchtest.
So habe nun einen Server gefunden, wo die richtigen Debian Versionen drauf sind. Warum findet man bei Debian selbst nur diese „falschen“ Versionen, selbst bei der DVD Version fehlte einiges, auch der Netzwerk-Manager.
http://ftp.acc.umu.se/cdimage/release/current-live/amd64/
Die richtige Version scheint 1.1GB in der Gnome Version zu haben.
Ich würde mir mit Hilfe von Bittorrent auf der offiziellen Seite debian.org die CD/DVD herunterladen.
http://cdimage.debian.org/debian-cd/current/amd64/bt-cd/
http://cdimage.debian.org/debian-cd/current/amd64/bt-dvd/
Du hast scheinbar einen Spiegelserver erwischt. Ich benutze immer die Netzinstallation
http://cdimage.debian.org/debian-cd/current/multi-arch/bt-cd/
Du kannst pppoe auch direkt beim Installieren einrichten. Siehe z.B.
http://www.debian.org/releases/stable/i386/apds05.html.en
Du musst dabei den Bootparameter modules=ppp-udeb angeben. Dadurch wirst du beim Installationsschritt mit dem Einrichten der Netzwerkverbindung automatisch nach deinen Daten gefragt.
Danke – der Artikel ist für mich sehr aufschluß- und hilfreich!
Wie überhaupt der gesamte Blog. Weiter so!
Gerne, werde ich machen. 🙂